Sophie in Grand Forks

Hallo ihr künftigen Austauschschüler, um euch ein bisschen Mut zu machen oder euch auch einfach eine Vorstellung davon zugeben, was ihr bei so einem Auslandsjahr in den USA zu erwarten habt, werde ich versuchen meine Erfahrungen zusammenzufassen. Schon seit fast einem halben Jahr hatte ich den Wunsch für ein Jahr in Amerika leben zu können, konnte mich aber nicht wirklich dazu durchringen, da ich immer wieder Zweifel hatte. Ende Februar – also auf den aller letzten Drücker – entschied ich mich endlich dazu mich wenigstens mal anzumelden und das Vorstellungsgespräch durchzuführen. Eine sehr nette und aufgeschlossene into-Mitarbeiterin kam mich daheim besuchen und wir unterhielten uns zunächst mit meiner Familie, wobei sie uns alles detailiert erklärte und meine Vorfreude und Entschlossenheit es zu machen immer mehr anstieg. Anschließend hatte ich noch ein kurzes englisches Gespräch mit ihr alleine und es gab keine Probleme, obwohl mein Englisch zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich gut war. Als ich dann von into eine Woche später den Vertrag für ein Schuljahr in den USA bekam, ging alles sehr schnell: Ich unterschrieb ihn, meine Eltern unterschrieben ihn und er wurde zurückgeschickt und somit war es fest – ich würde das nächste Schuljahr in den Vereinigten Staaten verbringen.

Von dort an fing das fürchterliche Warten auf die Gastfamilie an. Ich wünschte mir sehr in einen warmen, sonnigen Staat zu kommen, am besten am Strand. Ich bekam einmal im Monat einen into Newsletter mit Erfahrungsberichten von Schülern die bereits ihr Auslandsjahr verbracht hatten oder gerade im Ausland lebten. Anfang April  besuchte ich ein Vorbereitungsseminar von into. Dieses war sehr hilfreich und ließ meine Vorfreude noch mehr steigen. Von diesem Wochenende an rannte ich jeden Tag nach der Schule zum Briefkasten, um zu sehen, ob into endlich eine Gastfamilie für mich gefunden hatte. Als ich an einem normalen Mittwochmittag im April wie immer von der Schule kam, öffnete ich den Briefkasten schon aus völliger Routine. Und da war er – der Brief auf den ich so lange gewartet hatte. Ich öffnete ihn und er teilte mir meinen Staat und die Namen meiner zukünftigen Familien Mitgliedern mit. Ich hatte schon Tränen in den Augen und freute mich so sehr darüber endlich eine Gastfamilie zu haben. Es war mir egal nicht in einen Sonnenstaat gekommen zu sein, sondern nach Minnesota ganz oben an die kanadische Grenze – also ziemlich das Gegenteil. Ich googlte mein Haus und sah, dass wir weit und breit keine Nachbarn hatten, was ein kleiner Schock war. Von hier an schrieb ich mit meiner Gastmutter und meiner gleichaltrigen Gastschwester fast jeden Tag. Meine Freude sie endlich kennen zu lernen, wurde größer und größer. Einmal erzählte mir meine Gastmutter, dass mein Gastvater mich bereits seine deutsche Tochter nannte, obwohl er mich noch gar nicht kannte. Die zweite Augustwoche war komisch. Einerseits war ich sehr traurig meine Heimat, Familie, Freunde, Schule … verlassen zu müssen, aber auf der anderen Seite war ich so aufgeregt und freute mich so.

Dann der Tag. Mit Abflugticket in der Hand und noch einigen Tränen in den Augen startete ich meine Reise in die weite Welt. Zunächst sollte es auf eine Orientierungswoche nach New York mit anderen Austauschschülern aus ganz Europa gehen. Diese Woche war interessant  - und shoppen in New York kann nichts toppen. Es hat Spaß gemacht die Vorfreude mit anderen Kumpanen zu teilen. Als der Freitag dann gekommen war, stieg ich in den Flieger nach Grand Forks und war ab jetzt auf mich allein gestellt. Der Flieger landete und mein Herz pochte, mein Kopf war rot und ich zitterte ein bisschen. In zwei Minuten würde ich meine Gastfamilie zum ersten Mal sehen.Und dann war sie da - strahlend, mit offenen Armen, winkend und genauso aufgeregt wie ich. Sofort wusste ich mit dieser Familie würde das Jahr einzigartig werden und ich würde irgendeinen Sonnenstaat keinesfalls vermissen. Die erste Woche war spannend. Ich musste viele Leute kennen lernen und alle waren sehr interessiert an mir und sagten mein Englisch wäre sehr gut. Ich nahm am Volleyballtraining teil und alle bewunderten mich. So war die erste Woche auch schon sehr schnell rum und die Sommerferien vorbei. Somit kam der erste Schultag auf mich zu. Wiederum war ich aufgeregt und ein bisschen zittrig – doch die Erfahrung war der Wahnsinn. Jeder kannte mich bereits und sprach mich auf meine Volleyballkünste an. Ich war sehr stolz und fühlte mich so wohl.

Nach einer Woche Schule hatte ich mit jedem Schüler und Lehrer bereits ein Gespräch geführt und war auf mindestens zehn Besuche eingeladen worden. Als dann noch das erste Volleyballspiel dazu kam, in dem ich in der Startaufstellung war und mir an die 200 Besucher zuschauten, kannte mich nun das ganze Dorf. Beim Einkaufen mit meiner Gastmama begrüßten mich wildfremde Leute und sprachen mich auf das letzte Volleyballspiel an. Ich fing an das Leben in Warren, MN immer mehr zu lieben. Als dann auch noch der Homecoming Dance bevorstand hatte ich mich in Amerika völlig verliebt. Die Woche zuvor wurde eine Homecoming Queen und ein Homecoming King gewählt. Jeden Tag während dieser Woche kam man verkleidet zu einem bestimmten Thema in die Schule und am Samstag war dann der Tanz. Ich hatte sogar ein Date mit einem der Footballspieler. Das Herrichten mit den Mädels bei uns daheim war super und der Tanz anschließend auch. Das Jahr gleitete so dahin und es gab immer wieder neue Höhepunkte und wunderschöne Momente – eine Überraschungsparty an meinem Geburtstag, Sno-fest, Parties, Familienfeiern… Ich liebte meine Familie und vor allem meine gleichaltrige Gastschwester. Allerdings war nicht immer alles so perfekt, also meine Schwester nach einigen Monaten anfing eifersüchtig auf mich zu sein, hatten wir einige Probleme. Sie fand, dass unsere Eltern mir mehr erlaubten als ihr. Ich wiederum empfand dies nicht so. Es war für zwei Wochen ein etwas angespanntes Verhältnis zwischen uns, was bei mir etwas Heimweh auslöste, aber auch das Überstanden wir.

Über Weihnachten kam dann die ganze Familie heim. Ich hatte nämlich noch fünf weitere Geschwister, die aber bereits auch schon Kinder hatten. So waren wir an Weihnachten 22 Leute in einem kleinen Landhaus im „No-where“ von Minnesota. Es war aber sehr kuschlig, da alle unter 20 zusammen im Wohnzimmer schliefen. Zu dieser Zeit hatte ich einiges Heimweh erwartet, aber ich war so beschäftigt mit meinen ganzen Neffen, dass ich dazu keine Zeit hatte – Schlittenfahren,  Schneeballschlachten, Schneemänner bauen…   Eine meiner wichtigsten Erfahrungen während dieses Jahres war es Dinge auszuprobieren, die man so nie probiert hätte. Eines davon war Jagen. Ich hasse es tote Tiere zu sehen, allerdings war dies ein großes Hobby meiner Familie. Also ging ich eines Morgens mit ihnen auf die Jagd, es hat mir zwar nicht gefallen, aber ich hatte es ausprobiert. Auch Basketball und Leichtathletik beizutreten waren solche Aktionen. Ich mag bis heute weder Basketball noch Leichtathletik, aber es war es mit wert diese Sportarten zu betreiben, damit ich mit meinen Freunden sein konnte und es hat auch Spaß gemacht – die Busfahrt, das Aufwärmen… Zum Einsatz bin ich beim Basketball nicht viel gekommen, aber die Mädels waren schließlich mein Team, also hab ich sie brav von der Bank aus angefeuert.

Der School-Spirit von dem man immer hört ist wirklich vorhanden. Man identifiziert sich mit dieser Schule und ein Großteil kommt zu den Spielen und feuert das Team an. Bei größeren Spielen kommen die Zuschauer sogar in passenden Schulfarben und schminken sich. Wir haben für wichtige Basketball- und Footballspiele der Jungs T-Shirts bemalt und haben uns dann lustige Frisuren und Gesichter gemacht. Es war jedes mal soviel Spaß. Ein Highlight in dem Jahr war dann Prom. Wochen davor wurde darüber geredet, welches Kleid man wolle, welchen Jungen, wo man seine Haare und Nägel gemacht bekommen würde…  Dieses Wochenende war genial. Man wurde in einer großen Limousine zu einem Restaurant gebracht, aß dort in einer großen Gruppe, dann ging man zum Fototermin in die Schule und anschließend der Grand-March, bei dem jedes Paar mit Namen aufgerufen wurde und man auf der Bühne vor ein jubelndes Publikum trat. Dann die Disco und anschließend die After-Prom Party mit vielen Spielen – wie Poker, Money-Box, Hüpf-Volleyball- Trampolin… Als das Schuljahr zu Ende Jahr bekam ich noch einige Ehrungen für den besten Steller und Aufschläger im Volleyball aus der Region, damit kam ich dann auch in die Zeitung. Der letzte Schultag war traurig, ich musste mich von allen Lehrern verabschieden und von einigen Schülern.

In den Sommerferien bin ich dann noch nach Nashville, TN mit meiner Familie geflogen und als wir zurückkamen fing meine letzte Woche an. Ich konnte es einfach nicht glauben – das sollte es gewesen sein? Ich wollte nicht, dass es endete, es war so perfekt. Wir unternahmen noch viel in dieser Woche und am letzten Abend kamen nochmal alle meiner Freunde, um mit mir ein letztes Mal zu feiern. Es gab viele Tränen und ich nahm mir da schon vor bald wieder zu kommen. Am nächsten Morgen brachte mich meine Familie zum Flughafen und meine Gastschwestern, Gastmama und sogar mein Gastpapa und ich konnten nicht aufhören zu weinen und sie wollten mich einfach nicht gehen lassen. Als ich dann aber musste sagte meine Mutter „Unsere Haustüre ist immer offen für dich und vergiss nicht: Wir lieben dich.“ Dies waren die letzten Worte und es waren die schönsten die sie hatte sagen können.

Als ich wieder daheim war, dauerte es ein bisschen bis ich mich wieder eingelebt hatte, aber alle meine Freunde waren die gleichen und meine Familie hatte sich auch nicht verändert. Dieses Jahr hat mir so viel gebracht und ich kann es nur empfehlen zu machen. Traut euch, ihr werdet es nicht bereuen! Ihr seht es kommt nicht so sehr auf das Land oder den Staat an, sondern viel mehr was ihr aus dem macht was ihr bekommt. Viel Spaß bei allem, was ab jetzt auf euch zu kommt und genießt es; ihr erlebt es nur einmal.