Ein halbes Jahr in England zu verbringen, die Schule zu besuchen, die englische Sprache und Kultur kennen zu lernen, das war mein Ziel. Auf was ich mich einließ, wusste ich bereits, da mein Bruder zuvor schon einen Schüleraustausch gemacht hatte. Zur Auswahl standen mir unzählige Organisationen, bei denen ich schnell die Übersicht verlor. Aber meine Eltern ließen mir in der Wahl der Organisation viele Entscheidungsfreiheiten und so entschied ich mich am Ende für into, weil sie das beste Preis/Leistungsverhältnis hatten, eine Vor- und Nachbereitung anboten, die in meinen Augen optimal ist und weil sie – anders als andere Organisationen - Halbjahresangebote machten, was meinen Eltern im Bezug auf mein Latinum für wichtig erschien. Nach einem lustigen und lehrreichen Vorbereitungsseminar in Frankfurt am Main, in dem uns von Returnees (ehem. Austauschschülern) und Trainern alle Fragen beantwortet und die letzten Ängste genommen wurde, einem spärlichen ersten Kontakt mit meiner Gastfamilie hieß es dann am 9. September 2009 Abschied nehmen und endlich in den heiß ersehnten Flieger nach England zu steigen - auf zum Orientation Camp nach London! Bereits im Flieger traf ich auf weitere Austauschschüler, die genau so wie ich, sich auf eine aufregende, tolle und zugleich spannende Zeit in Großbritannien freuten. Während des Orientation Camps besichtigten wir zusammen mit unseren Betreuern London und fingen vorsichtig an unsere ersten englischen Sätze untereinander zu sprechen, denn im Camp waren viele Jugendliche aus verschiedenen Nationalitäten. Der Sinn und Zweck dieses Camps, uns einen ersten gemeinsamen Eindruck von England zu verschaffen und uns langsam an die andere Kultur und Sprache zu gewöhnen, wurden bei mir total erfüllt und meine Vorfreude auf meine Gastfamilie und Schule stieg von Tag zu Tag. Nach 4 Tagen und ein paar letzten Tipps und Tricks von den Betreuern hieß es dann schnell noch ein paar Adressen auszutauschen, erneut Abschied nehmen und dann endlich Richtung „neues zu Hause“ zu fahren. Meine Gastfamilie lebt in Leek, Staffordshire (Middlands) in einer typisch englischen Siedlung, wo alle Häuser gleich aussehen. Bereits der erste Eindruck gefiel mir gut, denn es war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Als der Wagen hielt und ich gerade dabei war meine Koffer aus dem Waagen zu holen, begrüßte mich direkt Oliver, der Familienhund. Natürlich waren meine Gasteltern nicht weit. Nach einer herzlich Begrüßung tranken wir ganz englisch eine Tasse Tee zusammen. Schnell lernte ich auch die weitere Familie kennen, die nur ein paar Häuser weiter wohnte. Alle waren sehr herzlich, obwohl sie mich nur aus meiner Bewerbung kannten! Das hat mir sehr gut gefallen. Zusammen mit meinen Gastvater machte ich mich ein paar Tage später auf den Weg zum Westwood College, welches meine neue Schule wurde. Ich bekam eine Führung durch die Schule, wählte zusammen mit meinem Tutor die Fächer und bekam einen Buddy. Mein Buddy war in meiner Stufe und half mir bei der Eingewöhnung in die neue Schule, die in keinem Fall mit meiner alten Schule in Deutschland zu vergleichen war. Die Ausstattung der Schule war um einiges moderner, was sich in einem breiteren Fächerangebot widerspiegelte. Das Westwood College besitzt mehrere Sportplätze, Rugbyfelder, einen eigenen kleinen Park, zwei Büchereien und überall die neusten Computer, interaktive white boards etc. Begeistert von der Einrichtung und dem breiten Angebot wählte ich die Fächer maths (Mathe), physical education (Sport), english language (Englisch), photography (Fotografie) und media studies (Medienkunde), was ich bis zum Ende nicht bereut habe. Auch dadurch, dass die Klassen maximal 15 Leute betrugen, war die Atmosphäre viel entspannter, denn verstand man mal etwas nicht in z.B. english language, hatte der Lehrer oder ein Mitschüler die Zeit es mir noch ein Mal in Ruhe und persönlich zu erklären. So kam es, dass ich meine Ängste, die ich am Anfang bzgl. des Schulsystems hatte, komplett widerlegen konnte und mich pudelwohl fühlte. Nicht zuletzt durch meinen Tutor, den ich mehrmals die Woche aufsuchen sollte, um mit ihm über meine Fortschritte und eventuellen Probleme zu sprechen. Freunde zu finden war durch meinen Buddy gerade am Anfang einfacher, aber auch nicht sehr leicht. Die Schule endete um vier Uhr nachmittags und viele der englischen Jugendlichen gingen am Nachmittag noch Nebenjobs nach, was es schwieriger aber nicht unmöglich machte, sich innerhalb der Woche zu verabreden. Zum Glück fand ich schnell Freunde, die sich für Deutschland und mein Austauschhalbjahr interessierten und mich in der näheren Umgebung herumführten. So entstand zu einigen der Mädchen und auch Jungen eine enge Freundschaft, die mir gerade in den Phasen, in denen ich Heimweh hatte, sehr stark geholfen hat. Bei unseren gemeinsamen Ausflügen erfuhr ich mehr über die Geschichte Englands und natürlich auch über Staffordshire, was ich sehr interessant fand. Die anfängliche Schüchternheit und die Angst Fehler in der englischen Sprache zu machen gingen bereits nach drei Wochen vorbei und ich wurde zunehmend selbstbewusster und quasselte einfach drauf los. Natürlich war mein Englisch nicht fehlerfrei, aber alle verstanden mich. Dadurch, dass ich bei der Aussprache einige Fehler machte, kamen lustige Wörter und Ausdrücke zustande, über die wir alle herzhaft lachten konnten. :) Meine Gastfamilie war mir neben meinen Freunden ebenfalls eine große Hilfe, da sie mir viel Halt gaben und mir die englische Kultur im familiären Alltag näher brachten. Ab und zu gab es auch hier Unstimmigkeiten z.B. mit den Fernseh- und Internetzeiten. Aber so was ist völlig normal und wurde in einem klärenden Gespräch schnell aus der Welt geschafft. Immerhin hatten sie schon mehrere Austauschschüler gehabt und wussten z.B. dass zu viel Kontakt zu meinen deutschen Freunden nur Heimweh hervorrufen würde. Zusätzlich zu meiner Gastfamilie, meinen Freunden und meinem Tutor hatte ich auch noch den „Local Rep“ als Ansprechpartnerin. Wir standen in einem engen telefonischen Kontakt, in dem sie sich nach mir erkundigte, mit mir über die Schule und Freizeit sprach und auch dafür sorgte, dass sich die Austauschschüler aus der näheren Umgebung einmal treffen und austauschen konnten. Ich persönlich hatte keine nennenswerten Probleme, die ich mit meinem Local Rep besprechen musste, habe mich aber sehr über das Treffen mit den anderen Austauschschülern gefreut, da wir alle in der gleichen Situation waren und von unseren Erfahrungen gegenseitig sehr gut profitieren konnten! Eine sehr besondere Erfahrung für mich war Weihnachten und die anschließenden Feiertage. Gerade im Dezember war ich sehr angespannt und wusste nicht richtig, ob ich mich auf ein Weihnachtsfest ohne meine Familie freuen konnte, wodurch bei mir keine große Weihnachtsstimmung aufkam. Am meisten fürchtete ich daher den 24. Dezember, da man in England Weihnachten erst am 25. Dezember feiert. Doch zu meinem Erstaunen hatte ich an Heilig Abend und an den folgenden Tagen gar kein Heimweh und fühlte mich unheimlich wohl. Am 25. Dezember trafen wir uns morgens früh zusammen in der Küche, tranken Tee und packten in Bademänteln und Schlafanzügen die Geschenke aus. Das Weihnachtsessen war traditionell englisch und verdammt lecker und so wandelte sich die ungewohnte, leicht angespannte Atmosphäre in eine unheimlich schöne und auch spannende. Ein halbes Jahr in England zu verbringen - das hatte ich geschafft und so heiß es dann am 31. Januar 2010 für mich die Koffer zu packen und zurück nach Deutschland zu fliegen. Meine Gastfamilie und meine Freunde hatten zum Abschied ein großes Essen für mich vorbereitet mit einer anschließenden Limousinentour durch die Städte. Es war ein krönender Abschluss von einem sehr aufregenden, anstrengenden aber auch wunderschönen Halbjahr. Bis heute habe ich noch regelmäßigen Kontakt zu meinen englischen Freunden und freue mich immer wieder sie zu besuchen.