Es war kurz nach meinem 15. Geburtstag im Januar als ich zum ersten mal in Betracht gezogen habe einAustauschjahr zu machen. Da meine Mutter für die Organisation INTO arbeitet war es für mich von Anfang anklar, dass ich nicht für etwas Anderes Ausschau halten musste. Auch die weitere Frage wohin ich überhaupt gehenmöchte war nicht hart. Ich zog Canada, Australien und England in Betracht. Schnell war entschieden dass ich nach England gehen möchte, da meine Grossmutter Englisch ist und ich schon von früher Bekannte und Freunde in England hatte.
Die Monate vom Januar bis im August, als mein Abenteuer dann endlich begann, waren sehr komisch für mich. ’Wirdes mir gefallen?’, ’Werde ich Freunde finden?’ und ’Wie wird es in meiner Gastfamilie sein?’, waren Fragen die ich mir wohl jeden Tag etwa fünf mal gefragt habe. Im Mai nahm ich an einem sogenannten Vorbereitungsseminarteil, wo mir viele Fragen über den Auslandaufenthalt beantwortet wurden. Auch das Orientation Camp in London im August was sehr hilfreich. Alle Austauschschüler kommen zusammen in London an und verbringen zwei bis drei Tage in einem Hotel, um sich an alles zu gewöhnen und einiges über London und die Organisation zu lernen.
Und jetzt bin ich hier in England, in Bristol, etwa zwei Stunden von London entfernt. Diese Stadt ist alles was ich mir gewünscht habe und noch viel mehr. Die Engländer sind so freundlich und sehr neugierig. Nicht selten passiert es, dass irgendwelche Schüler von meiner Schule auf mich zukommen und zu mir sagen: ’Seit du hier bist wollte ich dich fragen…’. Ich liebe es, stundenlange Fragen zu beantworten. Da ich am Englischen Leben teilnehme und sehr neugierig bin und natürlich selber Fragen stelle, finde ich es umso schönerm wenn es die Engländer genauso machen.
Ich lerne jedoch nicht nur alles über die Englische Kultur. Durch meine Organisation lerne ich unglaublich viele andere Austauschschüler von der ganzen Welt kennen. Ich wohne mit einem gleichaltrigen Mädchen aus Dänemark zusammen, was mich auch schon viel näher an die dänische Sprache und Kultur gebracht hat, da ich 24 Stunden am Tag mit ihr verbringe. Ich habe Leute aus Norwegen, Schweden, Dänemark, Deutschland, Italien, Finnland, ja sogar aus Brasilien kennengelernt. Unsere Englische Auslandorganisation organisiert viele Tagesausflüge und Treffen, an denen ich immer gerne teilnehme, da es jedesmal viel zu lernen und zu reden gibt.
Das Wetter hier in England ist natürlich wie es sich jeder vorstellt. Vor allem im April regnet es häufig und dann kann es passieren, dass eine Stunde später schon wieder die Sonne scheint. Wenn ich Glück habe, sehe ich sogar mal einen Regenbogen. Im Winter hat es dieses Jahr sogar geschneit, was uns Schülern glücklicherweise einige freie Tage verschafft hat. Diese habe ich sehr genossen, da ich dieses Jahr kein Schnee erwartet habe.
Auch meine Gastfamilie nimmt meine Gastschwester und mich häufig mit auf Tagesausflüge. Ich habe schon ganz Bristol und Umgebung gesehen. Es ist super, von englischen Leuten ausgeführt zu werden, da diese sicherlich da smeiste Wissen haben. Mein Gastvater weiss viele Sachen über Bristol die wohl nirgends zu finden sind, da er selbst sein ganzes Leben hier in Bristol verbracht hat. Es war echt wichtig für mich, dass ich gut mit meinen Gasteltern und meinen englischen Gastgeschwistern (9 und 11) auskomme, genauso wie mit meiner Gastschwester aus Dänemark, da sie mir für 10 Monate ein Zuhause geben und für mich sorgen.
Meine Gastmutter kocht wöchentlich ein typisch Englisches Frühstück mit ’tomatoes, sausages, bacon, mushrooms and eggs’. Ansonsten essen die Engländer am Morgen Toast und trinken eine Tasse Tee. Am Mittag wird normalerweise ein Sandwich in der Schule gegessen, da eine halbe Stunde Mittagszeit zu wenig ist, um nach Hause zu gehen. Am Abend kochen die Mütter eine volle Mahlzeit welche normalerweise Kartoffeln, Fleisch, Gemüse und diet ypisch englische Sauce ’Gravey’ beinhaltet. Wie jeder weiss sind die Engländer auch bekannt für den vielen Tee. Jeder Engländer und jede Engländerin trinkt mindestens 3 Tassen Tee am Tag, das ist ganz normal. Auch ich bin darin gewöhnt worden und habe gemerkt, dass ich jetzt nicht mehr davon loskomme, da es nichts Besseres gibt als um 15.30 von der Schule nach Hause zu kommen und eine Tasse Tee zu trinken.
Der Unterricht wird in Englisch abgehalten, was am Anfang sehr schwierig für mich war. Die Engländer sind nicht interessiert an anderen Sprachen. Ich habe schon oft Leute hören gesagt: ’Alle wollen doch sowieso Englisch lernen, wieso sollte ich dann Deutsch oder Französich lernen?’ Deshalb sind Schüler die eine andere Sprache sprechen etwas sehr Besonderes. Diese wollen später meist in einem anderen Land studieren oder wollen diese Sprache in ihrem Job anwenden.
Der normale englische Student ist sehr faul und macht nicht viel in der Schule. Nach der Schule jedoch geht er z.B. in einem Supermarkt oder einem Büro arbeiten, um Geld für anschliessendes Treffen mit Freunden zu verdienen. Die englische Jugend ist sehr sozial, normalerweise geht man in Gruppen von mindestens 10 Leuten aus. Für Leute unter 16 Jahren sind Pubs jedoch noch nicht erlaubt, deshalb geht man meist zu jemandem nach Hause, schaut einen Film und hat eine gute Zeit.
Bristol hat einen eigenen Dialekt, welchen ich am Anfang meines Aufenthalts überhaupt nicht verstanden habe. Nach einigen Monaten jedoch habe ich automatisch angefangen Begriffe wie ’alright?’ anstatt ’how are you?’ oder ’in a bit’ anstatt ’see you later’ zu brauchen. Der ’t’ Klang wird im ’Bristolian’ ausgelassen, was bedeutet, dass z.B. aus einem ’computer’ ein ’compu-er’ oder aus einem ’water’ ein ’wa-er’ entsteht. Obwohl die Engländer nur Toastbrot essen welches gar keine Kruste hat, heisst dies in Bristolian ’topper’.
Nicht nur mir, auch meiner Gastfamilie und meinen Schulfreunden ist aufgefallen, dass ich den Bristolian Akzent schon völlig aufgenommen habe. Als ich in London war und die Leute mich gefragt haben wo ich herkomme, waren sie sehr erstaunt als ich gesagt habe ich sei aus Deutschland und haben mir gesagt: ’Oh, ich dachte du bist aus Bristol, ich kann deinen Akzent hören.’ Das hat mich sehr stolz gemacht, weil das eines der Dinge war, die ich in meinen 10 Monaten in England erreichen wollte. Auch wollte ich hier einmal merken, wie es ist, auf mich selbst gestellt zu sein. Das beste Beispiel dafür ist Geld. Meine Eltern überweisen mir einen bestimmten Betrag an Geld jeden Monat. Mit dem sollte ich klarkommen und meine Bedürfnisse erfüllen können, sowie auch ausgehen und socializen. Dies war sehr schwierigin den ersten paar Monaten, ich habe mich aber schnell organisiert und jetzt klappt es.
Viele Leute fragen mich: ’Aber du musst mir jetzt trotzdem mal erklären, wieso wolltest du genau nach England wo es immer regnet und nicht wirklich warm ist?’ Dann antworte ich immer: ’Es spielt überhaupt keine Rolle wo man hingeht. Weg von zu Hause ist weg, egal wie weit weg man dann schlussendlich eigentlich ist. Der Regen stört mich überhaupt nicht, da ichbei mir zu Hause selten Regen sehe, nur Schnee oder Sonnenschein. Das ist nur eine andere Erfahrung für mich. Ich bin hier für neue Erfahrungen, um eine andere Kultur kennenzulernen und um neue Freundschaften zu knüpfen, bei denen ich weiss, dass sie für mein ganzes Leben halten werden. Ich bin hier um ein neues zu Hause zu finden, eine zweite Familie, bei der ich weiss, dass ich immer willkommen bin und immer sein werde.’
Aber es ist nicht nur das, seit ich von Deutschland weggegangen bin, habe ich herausgefunden, wer meine wirklichen Freunde in Deutschland sind. Ich habe auch gemerkt, dass mir meine Familie noch viel wichtiger ist als ich gedacht habe. Das Gefühl, einmal jemanden so richtig zu vermissen aber trotzdem einen ’Ersatz’ für diejenige Person zu haben ,wie z.B. meine Mutter oder meine beste Freundin, tut richtig gut. Ich habe meine Familie, meine Bekannten und meinen Freundeskreis verdoppelt. Was gibt es Schöneres?
Dieses Austauschjahr ist das Beste was ich je gemacht habe. Jeder Tag ist eine Erfahrung, egal ob ich etwas unternehme oder nicht. Diese Zeit ist die Spannendste die ich je erlebt habe und ich werde sie nie vergessen. Ich kann allen Leuten nur anraten dasselbe zu machen, egal wohin es geht. Überall wird man Freunde fürs Leben machen und wird Erfahrungen für ewig haben.