Hallo, ich bin Tanja und ich war 2010/2011 ein halbes Jahr in Dorchester/England und möchte euch von meinem Auslandsaufenthalt erzählen. Ich hoffe es gefällt euch: Ich weiß nicht an welcher Stelle eurer Vorbereitung auf ein Austauschjahr/Halbjahr ihr euch befindet, aber ich kann euch versichern: Auch ich war einmal an dieser Stelle. Natürlich fing es auch bei mir mit den Fragen an: Wo möchte ich hinfahren? Mit welcher Organisation soll ich nur wegfahren? Die erste Frage ließ sich bei mir relativ schnell beantworten. Ich wollte in ein Englischsprachiges Land fahren und zuerst habe ich an Amerika gedacht. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und das Land das jeder größtenteils aus Filmen kennt. Doch dann habe ich weiter nachgedacht, ob das wirklich das Richtige für mich wäre. Letztendlich fiel die Wahl auf England, weil die Engländer einfach ein, meiner Meinung nach, viel schöneres Englisch sprechen und auch das Land seine ganz besonderen Reize hat, die jeder der sich für England entscheidet selber für sich entdecken muss. Also kam es zu der nächsten Frage. Die Antwort dazu zu finden gestaltete sich als sehr viel Schwieriger als gedacht. Das Internet ist voll von Austauschorganisationen, die alle ihre eigenen Bedingungen und Anforderungen haben. Doch nach einigen 1000 Internetseiten fiel meine Wahl auf into, was ich bis heute nicht bereut habe. Auch den strengen Test meines Vaters hat into bestanden, was nicht selbstverständlich ist ;). Jetzt ging es an die Planung meines Austauschs. Da so ein Austausch ja nicht gerade billig ist, musste alles genauestens geplant werden, damit auch ja nichts schief geht. Während meine Eltern also Versicherungen abschlossen, ein neues Bankkonto für mich eröffneten und und und, saß ich daneben und konnte mich vor Aufregung kaum noch halten. Im Januar dann dachte ich der Höhepunkt meiner Aufregung wäre gekommen: Das Vorstellungsgespräch! Es kursierten Gerüchte über einen sehr harten Test in der englischen Sprache und das machte mir dann schon ein bisschen Angst. Aber letzten Endes habe ich zwar am schlechtesten Englisch in meinem ganzen Leben gesprochen, aber ich wurde trotzdem genommen J Also keine Sorge!! Im April war es dann endlich so weit: Ich bekam meine Gastfamilie. Die Sache war so: Es lag ein großer weißer Brief von into im Briefkasten und nachdem ich ihn geöffnet hatte brauchte ich erst einmal 10 Minuten um meine Luftsprünge zu beenden und meinen Herzschlag wieder auf eine normale Frequenz zu bringen. Ich hatte plötzlich eine Familie bei der ich ein halbes Jahr leben würde. Meine Gastfamilie ist die Beste die es geben kann. Es handelt sich um ein älteres Ehepaar, dass sich total liebevoll um mich gekümmert hat und mit dem ich nach wie vor in Kontakt stehe. Aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Die darauf folgende Zeit spielte sich so ab: noch 4 Monate, noch 3 Monate, Pre-Departure-Seminar (sehr coole Angelegenheit!!! ), noch 2 Monate, noch 2 Wochen, noch 3 Tage, Abschiedsparty, noch 1 Tag, ABSOLUTES AUSSETZEN DES VERSTANDES :D Einfach vor Aufregung. Ich hatte bis jetzt schon einige E-Mails mit meiner Gastfamilie geschrieben und auch einmal mit ihnen telefoniert und freute mich schon sehr! Doch vorher stand noch das Orientation Camp in London an. 4 Tage London in einem tollen Hotel und größtenteils Freizeit zum Shoppen und Kino. Der einzige Haken: wir mussten Englisch sprechen. Das war zuerst eine ziemliche Umstellung. Man kennt die Leute und spricht mit ihnen die ganze Zeit deutsch und muss dann plötzlich auf Englisch umsteigen… Ich muss zugeben das hat mir zuerst etwas Kopfschmerzen bereitet, aber nach einer Zeit gewöhnt man sich dranJ Nach 4 Tagen dann ging es auf zur Gastfamilie!!! DORCHESTER!!! Das sollte der Ort sein an dem ich die nächsten 5 Monate leben sollte. Nach einer ziemlich langen Busreise, einer Freundschaft mehr und einigen verwirrenden Angelegenheiten war ich endlich da. Meine Gasteltern haben mich sofort umarmt und sehr herzlich aufgenommen. Auch Ariane, eine andere Austauschschülerin, wurde sehr freundlich begrüßt. That’s my girl! Das waren die ersten Worte die wir hörten, als wir ankamen. Dann „zu Hause“ angekommen, bin ich in mein Zimmer gegangen um erst einmal anzukommen und auszupacken. Mein Zimmer war richtig schön. Total Englisch eingerichtet und ich hatte mein richtig eigenes kleines Reich inklusive Waschbecken J Natürlich waren die ersten Tage etwas seltsam und ich musste mich erst einleben aber das war nach ein paar Tagen kein Thema mehr. Als dann die Schule anfing, startete der richtig englische Alltag. Morgens habe ich als erstes schön mit meiner Gastmutter gefrühstückt und bekam dann mein „packed lunch“ für die Schule. Ganz typisch mit Sandwich und crisps. Dann bin ich zur Schule gelaufen, nach einer Zeit mit ein paar Mädchen die ich in der Schule kennengelernt habe und die denselben Schulweg hatten wie ich. Manchmal konnte ich auch den Bus nehmen, der sehr lustig war, vor allem an Weihnachten, aber dazu später. Die Schule an sich war super. Sie galt als die beste Schule im ganzen Land, was für mich eine tolle Erfahrung war. Es gab an die 2500 Schüler, allerdings nur von der 9. Bis zur 13. Klasse. Auch die Größe der Schule war extrem, zumindest für meine Verhältnisse und wahrscheinlich für alle, die eher an „Dorfschulen“ gewöhnt sind. Das englische Schulsystem ist komplett anders aufgebaut als das deutsche. Die High School beginnt in der 9. Klasse. Von Dort an bereitet man sich auf das sogenannte GCSE vor. Das ist in etwa mit dem 10er Abschluss in Deutschland vergleichbar. In der 12. Klasse werden dann die AS-Levels absolviert und in der 13 die A-Levels. Ab der 12. Klasse muss man sich nur noch auf 4 Fächer und in der 13 auf 3 Fächer konzentrieren, die allerdings nach Berufswunsch ausgewählt werden sollten. In meinem Fall waren diese Fächer Law, Music, Travel&Tourism und Geography. Wie ich auf diese Fächer kam? Einfach weil sie mich interessiert haben. Viele werden wahrscheinlich denken, dass es wichtig ist, bei einem Auslandsjahr die Fächer aus Deutschland auch im Austauschland beizubehalten, aber aus meiner Erfahrung heraus ist dies nicht unbedingt notwendig. Mein absolutes Lieblingsfach wurde Law. Zuerst war es schon kompliziert alle Fachbegriffe auf Englisch zu lernen und ausführliche Essays zu verfassen, doch nach einer Zeit hat es richtig Spaß gemacht und nun hat sich für mich dank meines Auslandsaufenthaltes ein Berufswunsch entwickelt. Auch zu Music muss ich noch etwas sagen. Ich habe es gewählt, weil ich dachte: da hab ich mal ein paar Stunden die Woche nicht so viel zu tun und kann mich etwas entspannen, vielleicht Musik machen und Spaß haben. Da habe ich mich gewaltig geirrt und in der Zeit habe ich Musikstücke analysiert, komponiert, Musik Theorie gelernt und eine Menge performt. Letzen Endes hat auch das Spaß gemacht und es hat mir eine Menge für Musik hier in Deutschland gebracht. Zu den Lehrern kann ich nur sagen, dass es die besten Lehrer waren die ich je kennengelernt habe und dass diese Menschen wirklich Spaß am Unterrichten haben. Was wie jeder weiß hier nicht immer der Fall ist. J Gerade habe ich festgestellt, dass ich bereits fast 2 Seiten geschrieben habe und mein Aufenthalt ja noch gar nicht richtig angefangen hat. Das Problem ist, dass man als Austauschschüler so viele neue Erfahrungen sammelt, dass man sich gar nicht kürzer fassen kann. Also habe ich beschlossen, mich auf die wichtigsten Ereignisse zu konzentrieren. Nach etwa 4 Wochen, also Anfang Oktober, war der Alltag eingekehrt. Ich hatte meinen festen Freundeskreis gefunden, die after-School-Clubs liefen auf Hochtouren, die Mitgliedschaft im Fitnessstudio und der Schwimmhalle war abgeschlossen, die Treffen mit anderen Austauschschülern waren zu einem regelmäßigen Austausch geworden, meine Aufgaben im Haushalt waren zur Gewohnheit geworden und die Fernsehabende mit der Gastfamilie wurden zu spannenden Ereignissen. Da stand unser erstes Konzert der Musikgruppe an. Die meisten waren gar nicht nervös, weil sie daran gewöhnt waren vor Publikum zu spielen. In einer Gruppe wäre das auch gar kein Problem gewesen. Aber alleine? Na ja ich war jedenfalls sehr nervös. Meine Gasteltern haben mir vorher noch einen kleinen Glücksbringer geschenkt, den ich bis heute bei jedem Konzert trage. Als es dann so weit war, sollte ich mich vorstellen, doch leider kam nur ein Krächzen heraus. Mein Auftritt lief gut und auch unser Chor kam gut an. Von da an machten die Konzerte immer mehr Spaß und auch das Vorstellen wurde immer besser. In Amerika mag es der Sport sein, der den School Spirit ausmacht, aber an dieser Schule war es eindeutig die Musik. Nach einigen Shopping-Touren, Geburtstagsfeiern und ähnlichem war es endlich so weit: Halloween stand vor der Tür! Doch war es ganz anders als erwartet. Statt einer großen Halloween Party gingen wir ans Meer zu einem Ghost-Walk. Diese Walks, muss ich zu meiner Schande gestehen, sind extrem gruselig. Ich war nach einer Stunde im dunklen Schloss der festen Überzeugung mindestens 3 Geister gesehen zu haben und von ihnen verfolgt zu werden. Der anschließende Spaziergang am Strand hat mich eines besseren belehrt. Die darauf folgenden englischen Feiertage waren Rememberance Day, Guy Fawkes day (liebevoll auch Burn-the-man-day genannt) und natürlich Weihnachten/Silvester. Den Rememberance Day merkt man eigentlich schon 2-3 Wochen vorher, weil überall gegen eine Spende sogenannte Poppies verkauft wurden, die die Erinnerung an gefallene Soldaten symbolisieren sollen. Diese trägt man am Körper und am Rememberance Day (11. November) findet an jeder Schule eine Messe statt, die die Schüler selbst gestalten können. Und welches Wetter war wohl am 11.11.10? Natürlich es hat aus Eimern gegossen. Jetzt mögen viele vielleicht denken: na klar, das englische Wetter! Etwas anderes wäre auch seltsam gewesen. Doch ist dieses Vorurteil ähnlich wie das Vorurteil, dass alle Deutschen in Lederhosen herumlaufen, zu behandeln. Tatsächlich hat es in der Zeit, in der ich in England war dort weniger geregnet als in Deutschland. Zurück zum Rememberance Day. Dieser erreicht dann am Rememberance Sunday mit einer Parade durch die Stadt seinen Höhepunkt. Am Nachmittag findet dann noch eine Messe am deutschen Denkmal statt, wo dann die Poppies im Gedenken an die deutschen Gefallenen niedergelegt werden. Der Guy Fawkes Day hat seinen Namen von einem Mann namens Guy Fawkes, der Anfang des 15. Jahrhunderts einen Attentat auf das Englische Parlament durchgeführt hat. Heute wird dies mit Bonfire nights gefeiert. Es gibt große „Scheiterhaufen“ auf denen eine Puppe verbrannt wird und dann trifft man sich auf großen Plätzen um mit jede Menge zu Essen und Trinken zu feiern bis dann das Feuerwerk losgeht. Bis jetzt hatte ich immer noch kein Heimweh, was mich aber nicht sonderlich gewundert hat. Die Zeit die man dort hat ist viel zu kurz, als sie mit Heimweh zu verschwenden. Auch an Weihnachten gab es keine Zeit für Heimweh. Zwar war es etwas seltsam Heiligabend fast gar nicht (mit Ausnahme von chinesischem Take-Away) zu feiern, aber Skype sei Dank gab es keine Probleme. Abends bin ich mit meiner Gastmutter zu einem Carol Singing gegangen. Man kann sich das so vorstellen, dass die ganze Kirche nur durch Kerzen erleuchtet wir und es einfach sehr festlich wird. Am Christmas Day gab es dann Bescherung und einfach so viel zu Essen, dass man nicht mehr sitzen konnte. Abends wurden dann alle Freunde und Verwandte eingeladen zur großen Weihnachtsparty inklusive SingstarJ statt dem 2. Weihnachtstag gibt es in England den Boxing Day, an dem alle Reste vom Vortag aufgegessen werden. Ich fasse mich jetzt über Weihnachten extra kurz, weil es sicher jeder anders erleben wird und seine eigenen Erfahrungen machen wird. Für mich war es ein perfektes Weihnachten. Silvester wird auch ganz anders gefeiert als in Deutschland. Kurz vor 12 Uhr versammeln sich alle verkleidet auf dem Marktplatz und dann sollte eigentlich die Glocke läuten und alle wünschen sich ein frohes neues Jahr. Doch leider war die Glocke kaputt und so musste der ganze Marktplatz dies ersetzen. Man stelle sich vor: an die 200 Leute stehen verkleidet auf einem Marktplatz und sagen 12-mal doing! Eine sehr lustige Angelegenheit :D Nach Silvester standen einige Examen an, die ich auch alle brav mitgeschrieben habe und leider auch schon bald meine Anreise. Für mich war es schlimmer aus England wieder nach Hause zu fahren als im Sommer von zu Hause abzureisen. Mein Taxi kam um 5 Uhr morgens und meine Gasteltern sind sogar mit mir aufgestanden. Ich habe noch ein letztes Mal Porridge bekommen (was übrigens sehr lecker ist) und meine Gasteltern haben mich total lieb verabschiedet. Das letzte was mein Gastvater zu mir gesagt hat war: „You know we love you“ und da war es vorbei mit der Beherrschung. Im Taxi wurden sich erst einmal die Augen aus dem Kopf geheult. Um das ganze jetzt wieder aufzulockern erzähle ich euch einfach noch eine Sache, die mir nach wie vor sehr peinlich ist. Und glaubt mir: kein Auslandsaufenthalt funktioniert ohne irgendwelche Peinlichkeiten. Also eines Abends ging ich wie immer ins Bett und habe meinem Gastvater noch gute Nacht gesagt. Typisch Englisch gab es ein: „Night Night. Be good!“ Und ich muss wohl schon sehr müde gewesen sein, denn ich hab gefragt: „How can I be good in bed?“ Mein Gastvater hat sich nur einen geschmunzelt bis mir dann aufgegangen ist, was ich da gesagt habe. Peinlich peinlich… Was natürlich auch immer ein großes Thema im Ausland ist, ist die Zeit des Nationalsozialismus. Ich hatte zum Glück keine Probleme mit Vorurteilen, aber ich habe mich doch gewundert als mich Leute anfingen zu fragen, ob Hitler noch lebt und was Nazis sind. Eigentlich dachte ich, dass das bekannt wäre. Daraufhin habe ich dann eine Schulstunde zur deutschen Geschichtsstunde erklärt und alle aufgeklärt was denn war und damit war alles geregelt. Auch ein großes Erlebnis fand irgendwann im Winter statt, als ich Prince Charles getroffen habe. Mein Gastvater war der ehemalige Bürgermeister von Dorchester und hatte eine Einladung zu einem Treffen mit ihm. Also sind meine Gastmutter und ich dahin und haben uns vor der Tür deponiert. Und das geschlagene 3 Stunden lang. Irgendwann kam er raus und wir standen da frierend zusammen mit dem BBC und meine Gastmutter ruft: „Hello! I’m his wife, I’m the dressmaker!“ und Prince Charles ist zu uns rüber gegangen und meinte wie sehr er sich doch freue sie wieder zu sehen und hat dann gefragt wer ich wäre. Ich wurde vorgestellt, habe auch ganz brav geknickst und ihm die Hand geschüttelt. Sogar einige Worte auf Deutsch konnte ich ihm entlocken J Also um einmal zum Ende zu kommen, ihr langweilt euch doch hoffentlich nicht?, hatte ich meines Erachtens nach den besten Auslandsaufenthalt den es geben kann. Einen großen Teil davon habe ich natürlich into zu verdanken. Ich würde jedes Jahr wieder fahren und kann es jedes Mal kaum erwarten wieder das Meer zu riechen und dieses Land zu betreten. Ich bin hoffnungslos verloren. Alles Liebe Eure Tanja