Wenn mich früher jemand fragte, wo ich denn gern meinen Schüleraustausch verbringen würde, dann antwortete ich sofort: natürlich in den USA! Als es für mich dann aber wirklich soweit war und ich mich für ein Land entscheiden musste, kamen mir plötzlich Zweifel, denn nach Amerika gingen doch „alle“ und ich wollte nicht das machen, was alle machten… Meine Mutter schlug mir stattdessen England vor, aber das wollte ich auch nicht; warum, weiß ich auch nicht so genau. Also entschloss ich mich, nach Irland zu gehen! Meine Gastfamilie, die in Galway lebt, wurde mir pünktlich einen Tag vor meinem Vorbereitungsseminar bekannt gegeben. In dem Brief fanden sich nicht allzu viele Informationen, aber das was dort stand, hörte sich sehr sympathisch an. Bevor ich meine Gastfamilie anrief, hatte ich große Zweifel, ob ich sie überhaupt verstehen würde. Nach einem sehr ausgiebigen Telefonat mit meinem Gastvater, in dem er mich in Grund und Boden redete - sosehr, dass ich kaum zu Wort kam :-D - waren jedoch alle Zweifel wie fortgewischt!
Je näher mein Abflug rückte, desto gelassener wurde ich und selbst am Flughafen war ich überhaupt nicht aufgeregt. Ich glaube, es war auch wirklich gut so, denn wenn ich realisiert hätte, dass ich jetzt für vier Monate in ein fremdes Land gehen würde, wäre ich sicherlich nie in das Flugzeug gestiegen! Als ich schließlich in Galway am Flughafen ankam, musste ich feststellen, dass mein Koffer nicht angekommen war. Gott sei Dank halfen mir sofort meine Gastmutter und mein „area rep“ den Koffer wiederzubekommen. Und tatsächlich erhielt meine Gastmutter am nächsten Tag einen Anruf vom Flughafen und sofort fuhren wir los, um ihn abzuholen. Auch der Rest meiner Familie empfing mich sehr herzlich und bemühte sich, mich mit meinem Leben in Galway gleich vertraut zu machen: So fuhr meine Gastmutter mit mir bereits am ersten Tag zur Schule, um mir eine Schuluniform zu besorgen und zeigte mir auf dem Rückweg etwas von der Stadt. Mein Gastbruder versprach mir, meine Schulbücher zu besorgen, denn er arbeitete neben der Uni in einem Schulbuchladen und meine Gastschwester forderte mich immer wieder auf, mich zu meinen Gastgeschwistern zu setzen und mich mit ihnen zu unterhalten oder wir sahen uns gemeinsam Filme an. Mein Gastvater nahm mich mit zur Kirche, wodurch ich gemeinsam mit ihm in einem Chor landete (was ich mir nie vorstellen konnte) und gleichzeitig so auch von der Jugendgruppe erfuhr, die ich später besuchte.
Auch in der Schule wurde ich sehr herzlich aufgenommen und gehörte sogleich zu einer großen Gruppe von Leuten, die etwas über Deutschland erfahren und Deutsch lernen wollten. Ich fühlte mich sehr wohl und hatte durch die Bekanntschaft mit all den netten Menschen und die Fürsorge meiner Familie auch nie Heimweh. Auch in der Jugendgruppe fand ich gute Freunde und wir trafen uns oft auch außerhalb der offiziellen Treffen, um zum Beispiel zum Bowling zu gehen. Wenn ich einmal an einem Wochenende nichts vorhatte, nahmen meine Gasteltern mich oft mit zu ihren Verwandten, die überall im Land verteilt leben. Auf diesen oft mehrstündigen Fahrten erzählte vor allem mein Gastvater gern und ausführlich über Land und Leute. Nach diesen Besuchen hatte ich oft das Gefühl, schon ewig in Irland zu wohnen, denn „gefühlt“ wusste ich alles über die Iren und ihre Vorlieben und Abneigungen. Vor allem aber gewann ich wirklich eine zweite Familie dazu! Mit meinen Freunden aus der Schule ging ich oft ans Meer, um am Strand zu sitzen. Wir gingen ins Kino oder shoppen im Stadtzentrum.
Als das Ende meines Aufenthaltes in Irland nahte, tauschten wir Adressen aus und versprachen uns, uns gegenseitig zu besuchen. Inzwischen war ich dann auch schon wieder in Irland, um Familie und Freunde zu besuchen. Zum Abschied bekam ich von meiner Jugendgruppe eine echt irische Bodhran (irische Trommel) und von meinen Freunden aus der Schule ein Buch mit Fotos und Texten von all meinen Freunden. Über diese Dinge habe ich mich besonders gefreut und war super traurig darüber, dass ich nun wieder zurück nach Deutschland musste. Ich konnte es gar nicht fassen, wie schnell die Zeit vergangen war! Auch im Nachhinein bin ich sehr froh darüber, dass ich meinen Austausch nach Irland gemacht habe, denn ich hatte dort eine Zeit, wie sie im Bilderbuch nicht schöner beschrieben werden könnte!