Weil schon hier in Deutschland Französisch mein Lieblingsfach war, hatte ich mich für einen 10 monatigen Auslandsaufenthalt in einem französischsprachigen Land entschieden. Kanada reizte mich sofort, und so machte ich mich am 18. August 2009 auf den Weg nach Mont St Hilaire zu meiner Gastfamilie. Dieser auf einem Hügel und von Wald umgebene Ort liegt eine halbe Stunde Autofahrt von Montréal entfernt. Meine Gastfamilie waren Natalie und Paul Forest, mit ihren beiden Töchtern Allison (16) und Emily (13). Die Amtssprache in Kanada ist sowohl Englisch, als auch Französisch. Allerdings ist die östlich gelegene Provinz Québec die einzige, in der hauptsächlich französisch gesprochen wird. Da meine Gastfamilie aber anglophon war, habe ich hauptsächlich englisch mit ihnen gesprochen. Ansonsten war ich aber auf meine Französischkenntnisse angewiesen, denn in den Geschäften und auch in der Schule wird französisch gesprochen. Als ich erfuhr, daß es sich beim Collège Saint-Maurice in Saint-Hyacinthe, um eine Mädchenschule handelte, hatte ich vor meiner Abreise Sorge, daß es dort jede Menge Zickereien geben würde. Doch es war ganz anders als erwartet: Alle begegneten mir schon am ersten Tag mit viel Freundlichkeit und Offenherzigkeit, sodass ich schon in der ersten Schulwoche total begeistert war. Wenn ich irgendwelche Schwierigkeiten hatte, haben mir alle sofort geholfen und ich habe mich nie wirklich fremd gefühlt. Und so kamen sie mir nach kurzer Zeit entgegengerannt und riefen ganz stolz: „Isch liiibe disch“. Natürlich fand ich es von Zeit zu Zeit immer wieder seltsam, dass es überhaupt keine Jungs gab, aber es störte mich nicht wirklich. Der Unterricht beginnt an meiner Schule für alle Jahrgangsstufen um 09.00h und endet um 15:42h. Eine Unterrichtsstunde dauert 60 Minuten, vormittags hat man 3 Stunden, darauf folgt die Mittagspause, danach noch einmal zwei Stunden. Zur Schule fuhr ich mit einem typisch gelben Schulbus, der bei den meisten Schülern fast direkt vor der Haustür hielt. Ich hatte keine große Fächerauswahl, wie man es von den USA vielleicht kennt. So hatte ich Englisch, Mathe, Französisch, Kunst, Sport, Chemie, Physik, Geschichte und Religion. Der Unterricht war im Vergleich zu Deutschland einfacher, so konnte ich den Lehrern nach einigen Anfangsschwierigkeiten leicht folgen und meine Noten waren meistens besser als der Durchschnitt. Schon in der ersten Woche meldete ich mich bei dem Volleyballteam meiner Schule an und hatte zwei mal die Woche Training. Ungewohnt fand ich, daß man alles Lehrer mit Vornamen ansprechen und duzen durften. Aber man gewöhnt sich mit der Zeit an alles Neue. man seine Freunde trifft. Auch in der Mittagspause wurden verschiedene Aktivitäten angeboten, ich war oft in der Bücherei oder in der Sporthalle und habe dort an Turnieren teilgenommen. Diese fanden über das Jahr verteilt statt und die Sportart wechselte nach einigen Wochen. Besonders viel Spaß hatte ich daran, auch neue Sportarten wie Hockey oder Lacrosse auszuprobieren. Ein absolutes Highlight in dem Schuljahr war die fünftägige Klassenfahrt nach Jouvence. Dort haben wir in einer Art Jugendherberge mit dem ganzen Jahrgang gewohnt und die meiste Zeit des Tages draußen im Schnee verbracht. (Achso... wegen Schneemangel muss man sich in Kanada wirklich nicht beschweren). Das Riesenereignis war aber am Ende des Schuljahres, als wir unseren Abschluss gefeiert haben! Alle haben schon das ganze Jahr auf dieses Event hingefiebert und nicht selten habe ich mir ausführliche Berichte über das Traumkleid angehört. Im Juni war es dann endlich soweit! Obwohl wir noch nicht einmal alle Abschlussexamen geschrieben hatten, fand schon die GALA DES FINISSANTES statt. Nachmittags hatten wir eine Pré-Gala, bei der nur die Abgängerinnen da waren. Verschiedene Schülerinnen hatten Programmpunkte vorbereitet und alle haben Tränen gelacht. Entweder haben wir uns an die Modestile in den unterschiedlichen Schuljahren erinnert oder es wurden witzige Videos gezeigt, getanzt und gesungen. Abends war dann die Gala mit Eltern, wo wir alle diese Hüte und Umhänge getragen haben, wie man es auch aus den amerikanischen Filmen kennt. (Der Hut hängt jetzt in meinem Zimmer). Dann wurden die Diplome und andere Preise verliehen, zwischendurch waren wieder verschiedene Auftritte. Ich hatte einfach total viel Spaß, weil mir alles irgendwie auch so unwirklich vorkam. Da saß ich nun wie alle anderen mit meinem Hut und meinem Diplom und feierte! An diesem Abend hat man einfach extrem diesen Teamspirit gemerkt und ich habe mich total wohl gefühlt! Aber das größte Ereignis sollte ja noch folgen: Unser Prom! Oder auf französisch „Le bal des finissantes“. Mein persönlicher Tipp: Dieses Event darf man sich auf keinen Fall entgehen lassen! Ich hatte mich natürlich schon informiert, was da dann so abgeht, aber es war dann doch eine Nummer größer als erwartet: Vor der Schule war ein langer roter Teppich ausgerollt, und Unmengen an Zuschauern standen außenrum. Jeder fuhr in einem originellen Fahrzeug vor. Meine Freundinnen und ich kamen in einem Wohnwagen mit Luftballons, was noch ziemlich einfallslos war, verglichen mit drei riesigen Zementtrucks, einem Segelschiff auf Rollen, einem Golfkart, Limousinen... Am originellsten fand ich mit Abstand ein echtes Feuerwehrauto, aus dem nicht nur die Schulabgängerinnen, sondern auch gleich noch einige gut aussehende Feuerwehrmänner ausstiegen. Mit nacktem Oberkörper, versteht sich ;) War man dann erst mit viel Pampam vorgefahren, wurde der eigene Name durch ein Mikrofon verkündet und man schritt auf dem roten Teppich unter viel Applaus bis nach vorne zum Fotografen. Die Kleider waren echt super und es war für jeden Geschmack etwas dabei, egal ob kurz oder lang, einfarbig oder bunt, pompös oder simpel, selbstgemacht oder gekauft. Soweit ich es mitbekommen habe, ist auch niemand gestolpert und alle waren zufrieden mit ihrem lang ersehnten, großen Auftritt. Als Alle angekommen waren, ging es in die Cafeteria der Schule, die gar nicht mehr wieder zu erkennen war. Alles war super festlich geschmückt mit Kronleuchtern, Blumen, Sofas und wir saßen an wunderschön dekorierten runden Tischen. Dann wurde erst mal richtig lecker gegessen, bevor der DJ mit der Musik begann und wir alle getanzt haben. Es war also eine absolut spannende und lustige Nacht, in der wir noch ein letztes Mal als Schülerinnen in der Schule waren. Alles in Allem, kann ich also jedem nur raten, ein Jahr auf einer Schule in Québec zu verbringen; es ist ein unvergessliches Erlebnis! Ich habe immer noch Kontakt zu meinen Freundinnen in Kanada und hoffe, dass ich sie irgendwann wieder sehen kann.